Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Mai 2019 ist klar, dass Arbeitgeber in der EU die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter systematisch erfassen müssen. Wirklich konkret wurde das Thema in Deutschland allerdings erst durch einen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im September 2022. Demnach besteht die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bereits, auch ohne eigens geschaffenes Gesetz. Für viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Handwerksbetriebe oder Selbstständige mit Personal bringt das Unsicherheiten mit sich. Was muss dokumentiert werden? Reicht eine Excel-Tabelle? Und wie lässt sich das Ganze rechtssicher, praktikabel und ohne übermäßigen Aufwand organisieren? Die Antworten darauf sind ausschlaggebend, denn bei Fehlern drohen Bußgelder und im schlimmsten Fall rechtliche Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern.
Inhalt
Was bisher geschah und was noch kommen dürfte
Das EuGH-Urteil von 2019 forderte „ein objektives, verlässliches und zugängliches System“ zur täglichen Erfassung der Arbeitszeit als Reaktion aufzunehmende Berichte über unbezahlte Überstunden und Verstöße gegen das Arbeitszeitrecht. Das BAG urteilte 2022 im Anschluss an dieses Urteil, dass Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz verpflichtet sind, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit zu erfassen.
Die Bundesregierung plant eine gesetzliche Neuregelung, inklusive einer Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung (ein entsprechender Gesetzentwurf lag bereits 2023 vor). Ob und in welcher Form er 2025 in Kraft tritt, ist zwar noch offen, aber die Richtung ist klar. Weg von Papier und Vertrauensarbeitszeit, hin zu einer digitalen Dokumentation.
Wer ist betroffen und was ist zu erfassen?
Grundsätzlich gilt die Erfassungspflicht für alle Arbeitgeber unabhängig von ihrer Branche oder Betriebsgröße. Ausnahmen könnten künftig für leitende Angestellte oder bestimmte Kleinbetriebe gelten, aber Stand heute sind diese nicht gesetzlich geregelt.
Zu erfassen sind der Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit. Dabei müssen klassische Anwesenheitszeiten ebenso dokumentiert werden wie Pausen und Arbeitsunterbrechungen. Ob die Erfassung schriftlich oder digital erfolgt, ist bislang nicht gesetzlich vorgeschrieben. Es ist allerdings maßgeblich, dass das System objektiv und überprüfbar ist. Auch im Homeoffice und bei mobiler Arbeit gilt die Pflicht zur Zeiterfassung uneingeschränkt, denn Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, dass ihre Mitarbeiter auch außerhalb des Betriebs Arbeitszeiten korrekt dokumentieren.

Benedikt Sommer
Als Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der in Berlin ansässigen Medien- und Wirtschaftskanzlei Spieß Schumacher Schmieg & Partner Rechtsanwälte mbB berate und vertrete ich mit meinem Team sowohl Arbeitnehmer:innen, Unternehmen, Führungskräfte und Geschäftsführer:innen, als auch Betriebs- und Personalrät:innen umfassend im Arbeitsrecht.
Praktische Wege zur Umsetzung im Unternehmen
Viele Unternehmen setzen inzwischen auf digitale Zeiterfassungssysteme, sei es in Form einer App, Terminallösung oder einer webbasierten Anwendung. Dass die Systeme intuitiv bedienbar sind und bestehende Datenschutzvorgaben zuverlässig erfüllen, ist dabei essenziell. Sensible personenbezogene Daten wie Arbeitszeiten müssen obendrein sicher gespeichert und vor unbefugtem Zugriff geschützt werden.

Betriebe mit einer geringen technischen Ausstattung starten am besten zunächst mit einfachen Mitteln, wie Excel-Tabellen mit verbindlichen Einträgen. Die Daten sind dabei regelmäßig zu prüfen und aufzubewahren, idealerweise für mindestens zwei Jahre, selbst wenn inzwischen eine Entlassung des Arbeitnehmers erfolgt ist. Das schützt im Fall von Streitigkeiten und sichert die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften.
Klare interne Prozesse helfen ebenfalls. Wer ist verantwortlich für die Kontrolle der Einträge? Wie werden Pausenzeiten berücksichtigt? Und was passiert, wenn Mitarbeiter sich wiederholt nicht korrekt ein- oder ausstempeln?
Damit Arbeitgeber einen rechtssicheren und pragmatischen Einstieg finden, empfiehlt sich folgende To-do-Liste.
● Ist-Zustand prüfen: Welche Modelle gibt es im Unternehmen, wie wird aktuell erfasst?
● System wählen: Digitale Lösung, App oder manuelle Erfassung, je nach Bedarf und Betriebsgröße
● Datenschutz regeln: Zugriffsrechte, Speicherung, Dokumentation; alles muss DSGVO-konform sein
● Mitarbeiter informieren: Klar kommunizieren, warum erfasst wird und wie das System funktioniert
● Verantwortlichkeiten festlegen: Wer kontrolliert, wer dokumentiert, wer wertet aus?
● Lohnabrechnung verknüpfen: Arbeitszeitdaten müssen mit Entgeltabrechnungen und gegebenenfalls mit Zuschlägen harmonieren
● Langfristig archivieren: Alle Daten mindestens zwei Jahre digital oder analog aufbewahren
Was die Praxis jetzt schon zeigt
Bereits jetzt greifen Arbeitsgerichte bei Streitfällen auf Zeiterfassungsdaten zurück. Ob es um die Überstundenvergütung oder Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz geht; sauber dokumentierte Zeiten schaffen Rechtssicherheit. Besonders relevant ist das für Branchen mit hoher Teilzeitquote oder Schichtarbeit wie den Einzelhandel, das Gesundheitswesen oder die Gastronomie.
Zudem steigt die Zahl an hybriden Arbeitsmodellen, in denen Mitarbeiter teilweise mobil arbeiten. Ohne transparente Arbeitszeitnachweise geraten hier nämlich schnell gesetzliche Höchstgrenzen oder Pausenregelungen aus dem Blick.
Jetzt beraten lassen: So setzen Sie die Arbeitszeiterfassung rechtssicher um
Die Anforderungen an Arbeitgeber steigen, insbesondere bei der Dokumentation der Arbeitszeit. Wer jetzt nicht handelt, riskiert Bußgelder oder arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen.
Rechtsanwalt Benedikt Sommer – Fachanwalt für Arbeitsrecht berät Sie praxisnah und rechtssicher zur Einführung eines passenden Zeiterfassungssystems, individuell abgestimmt auf Ihren Betrieb.
Ob Handwerksunternehmen, KMU oder Praxis: Gemeinsam schaffen wir Klarheit und Sicherheit beim Thema Arbeitszeiterfassung in Ihrem Unternehmen.
Bildquellennachweis: © freepik.com